Die Geschichte von Beyoğlu und der Istiklal-Straße

Ein Viertel voller Geschichte und Kultur

Die Geschichte von Beyoğlu und der Istiklal-Straße

Beyoğlu ist ein lebendiges Viertel im Herzen Istanbuls, das sich zwischen dem Taksim-Platz und dem Tunnel-Platz (Tünel) erstreckt. Die Istiklal-Straße Istanbul (İstiklal Caddesi), ihre pulsierende Hauptachse, ist eine der bekanntesten und geschichtsträchtigsten Straßen der Stadt, auf der sich heute die kulturelle Vielfalt und der historische Wandel Istanbuls auf eindrucksvolle Weise widerspiegeln.

Die Istanbuler - sowohl meine Generation als auch die vorherige - haben unvergessliche Erinnerungen an Beyoğlu. Die Istiklal-Straße (İstiklal Caddesi), das westliche Gesicht unserer Stadt, ist seit fast zweihundert Jahren das wichtigste Zentrum Istanbuls, in dem die Menschen viele kulturelle und gesellschaftliche Neuheiten erlebten.

Beyoğlu / Istiklal-Straße - 1926 Beyoğlu / Istiklal-Straße - 1926

Bis in die 1970er Jahre war Beyoğlu ein Ort, an dem die Menschen in gepflegter Kleidung und mit Krawatte flanierten. Wer nach Beyoğlu ging, besuchte die Restaurants, Cafés, Konditoreien, Kinos, Theater, die Oper und Kunstausstellungen. Obwohl das Viertel in den letzten Jahren etwas von seinem früheren Charme verloren hat, hat es seinen Status als Zentrum für Kultur, Kunst und Unterhaltung bewahrt und seine einzigartige Lebensart erhalten.

Diplomatische Präsenz in Beyoğlu: Die ersten Botschaften

Im späten 18. Jahrhundert begann das Osmanische Reich, erstmals Botschafter in fremde Länder zu entsenden. Dennoch hatten einige Länder schon viel früher diplomatische Vertretungen in Istanbul etabliert: Der venezianische Botschafter residierte dort seit 1454, der französische seit 1535 und der niederländische seit 1612.

Mit der wachsenden Präsenz europäischer Botschaften siedelten sich diese im Laufe der Zeit zunehmend in Beyoğlu an. Neben den Botschaften waren es zunächst europäische Minderheiten sowie Mitglieder der Botschafterfamilien, Kaufleute und andere westliche Siedler, die sich in diesem Gebiet niederließen.

Die heutige İstiklal-Straße, damals als „Cadde-i Kebir“ (Große Straße oder Hauptstraße) bekannt, war ursprünglich ein einfacher Pfad, der über einen Hügel in Richtung des heutigen Taksim-Platzes führte. Im Laufe der Zeit entstanden entlang dieses Weges die ersten Holzhäuser.

In dieser Zeit hatten sich noch keine Türken und Muslime in der Gegend niedergelassen. Die neu gegründete Siedlung war chaotisch und planlos, mit engen, schlammigen Straßen und einer schlechten Infrastruktur. Die Holzhäuser waren meist drei bis vier Stockwerke hoch und oft schlecht erhalten, während die Backsteinhäuser feucht und düster wirkten.

Die Menschen lebten auf niedrigen, sofa-ähnlichen Sitzflächen, aßen auf dem Boden, und die Wohnzimmer wurden mit einem „Mangal“ (Holzkohlebecken) beheizt. Im Vergleich zum „Suriçi“ (Altstadt) gab es hier einen stärkeren europäischen Einfluss, da ein großer Teil der Bevölkerung aus westlichen Ländern stammte.

Bis zum Jahr 1830 war das Gebiet eine heruntergekommene Gegend, in der etwa drei- bis viertausend Menschen lebten, hauptsächlich westliche Minderheiten.

Der Einfluss der Levantiner auf Beyoğlu

Der Begriff „Levantiner“ stammt vom französischen Wort „Levant“ (Ost oder aus dem Osten stammend) und bezieht sich auf den östlichen Mittelmeerraum. Ursprünglich von Europäern verwendet, um europäischstämmige Menschen im Osten abzuwerten, bezeichnete der Begriff später die christlichen Europäer, die sich im Osmanischen Reich, insbesondere in großen Hafenstädten niederließen und im Handel tätig waren.

Im 19. Jahrhundert begannen Europäer, vor allem Franzosen und Italiener, die osmanischen Gebiete zu bereisen, um Geschäfte zu machen und rasch Wohlstand zu erlangen. Die Levantiner, die in den osmanischen Hafenstädten lebten, hatten unterschiedliche Motive, aber viele von ihnen waren Kaufleute und Händler, die von der Nachfrage nach hochwertigen Importgütern in Istanbul profitierten.

Sie handelten nicht nur mit Baumaterialien für den Bau von Palästen, Villen und Herrenhäusern, sondern auch mit Möbeln, Haushaltswaren, Musikinstrumenten und anderen Dekorationsgegenständen.

Beyoğlu als Finanz- und Handelszentrum

Zur gleichen Zeit begannen Banker und Finanzexperten, in Beyoğlu sesshaft zu werden, da die osmanische Regierung begann, Anleihen herauszugeben, um sich zu finanzieren. Das wachsende Finanzzentrum und die Entwicklung eines Handelsmarktes machten Beyoğlu zu einem Ort, an dem sich immer mehr westliche Europäer niederließen.

Ab 1850 lebten etwa 50.000 Levantiner im Osmanischen Reich, und ihr Lebensstil, ihre Häuser und Arbeitsplätze beeinflussten die lokale Bevölkerung. Besonders in Beyoğlu, auf der Straße „Cadde-i Kebir“, entwickelte sich die Architektur und Lebensweise nach den Vorbildern der Levantiner. Die Möbel in ihren Häusern, ihre Essgewohnheiten und die Einführung von Klavieren in viele Haushalte spiegelten den Einfluss der Levantiner wider.

Diese westliche Lebensart fand auch ihren Weg in die osmanische Aristokratie, die sich zunehmend nach europäischen Vorbildern ausrichtete. Aufgrund dieses westlichen Einflusses war die Straße als „Grande Rue de Péra“ (Große Pera-Straße) bekannt.

Die Gründung der Gemeinde Beyoğlu

Ab den 1840er Jahren begannen die Osmanen, das Konzept einer „Stadt“ nach europäischem Vorbild zu verstehen. Diese Erkenntnis führte zur Einführung des Konzepts der „Stadtverwaltung“, das eine neue Ära in der Organisation und Verwaltung der Städte im Osmanischen Reich einleitete. Es wurde deutlich, dass die Bewohner einer Stadt nicht nur Pflichten gegenüber ihrer Stadt hatten, sondern dass auch die Verwaltung eine Reihe von Aufgaben zu erfüllen hatte.

Allerdings dauerte es eine Weile, bis diese Regelungen im Osmanischen Reich umgesetzt wurden. Die Osmanische Regierung orientierte sich bei vielen ihrer Reformen an Frankreich, und so übernahm man auch das Modell der Stadtverwaltung aus Frankreich. Besonders das System des „6. Arrondissements“ von Paris wurde als Vorbild genommen. Aus diesem Grund erhielt die Gemeinde von Beyoğlu auch den Namen „Belediye 6. Dairesi“ (Gemeinde des 6. Arrondissements).

Die Blütezeit der Istiklal-Straße

Nach dem großen Brand von 1870 wurden alle Gebäude entlang der Straße gemäß den Plänen der Gemeinde Beyoğlu wieder erbaut. Durch die Enteignungen erhielt die Straße eine gleichmäßige Breite, die an allen Stellen beibehalten wurde. Zwischen 1870 und 1910 erlebte die Straße eine enorme Aufwertung.

In dieser Zeit wurden bedeutende Bauwerke errichtet, die sich in den kommenden Jahrhunderten tief in das Gedächtnis der Stadt eingeprägt haben. Italienische, französische, österreichische, griechische und armenische Architekten errichteten prächtige Bauten, die sich durch ihre Architektur auszeichneten.

Der Bau des „Tünel“ (Tunnel) im Jahr 1875 ermöglichte eine einfachere Anbindung an die andere Seite Istanbuls, was den Zugang zur Straße deutlich erleichterte. Es handelt sich um eine unterirdische Standseilbahn, die die Galatabrücke mit der Istiklal-Straße verbindet und nach der Londoner U-Bahn (1863) als zweitälteste ihrer Art weltweit gilt. Auch die „Tramvay“, die rote Straßenbahn, die nun durch die Istiklal-Straße fuhr, verbesserte die Erreichbarkeit weiter.

Gleichzeitig eröffneten entlang der Straße elegante Geschäfte, Restaurants, Bierhäuser, Konditoreien und Cafés. Zudem nahmen neun Theater und fünfzehn neue Kinos ihren Betrieb auf.

Während 1840 in Beyoğlu nur ein Hotel existierte, wurden später weitere luxuriöse Hotels errichtet, darunter das Grand Hotel de Londres (1891), das Bristol Hotel (1893), das Tokatliyan Hotel (1909) und viele weitere.

Das Pera Palas Hotel: Ein Wahrzeichen in Beyoğlu

Das Pera Palas Hotel (1895), eines der bekanntesten Beispiele, wurde speziell für die Gäste des Orient-Express erbaut. Es prahlte damit, über alle modernen Annehmlichkeiten zu verfügen: einen Aufzug, ein Bad und eine Dusche in jedem Zimmer, Zentralheizung, elektrische Beleuchtung sowie eine herrliche Aussicht auf das Goldene Horn.

Agatha Christie im Pera Palas Hotel

Das Pera Palas Hotel beherbergte viele berühmte Persönlichkeiten. Häufig wird betont, dass Agatha Christie ihren berühmten Roman „Mord im Orient-Express“ in den 1930er Jahren während ihres Aufenthalts in diesem Hotel, im Zimmer 411, schrieb.

Zimmer 101: Atatürks Erbe im Pera Palas Hotel

Zimmer 101 ist als das Zimmer bekannt, in dem Mustafa Kemal Atatürk übernachtete. Im Jahr 1981, zum 100. Jahrestag seiner Geburt, wurde es zu einem Museumszimmer umgestaltet, in dem auch Atatürks persönliche Gegenstände ausgestellt werden.

Beyoğlu und die Istiklal-Straße sind nicht nur Zeugen der Geschichte Istanbuls, sondern auch lebendige Symbole der kulturellen Vielfalt und des ständigen Wandels der Stadt. Von den europäischen Einflüssen der Levantiner bis hin zu den modernen Entwicklungen ist dieses Viertel ein faszinierendes Mosaik, das die Vergangenheit mit der Gegenwart vereint.

Auch heute noch bleibt Beyoğlu ein Zentrum der Kultur, Kunst und Unterhaltung, das Menschen aus aller Welt anzieht. Wer die Geschichte und das pulsierende Leben Istanbuls verstehen möchte, kommt an diesem einzigartigen Stadtteil nicht vorbei. Beyoğlu bleibt ein Ort, an dem die Vergangenheit lebendig bleibt, während sich die Straßen und Gebäude ständig weiterentwickeln, um der Zukunft zu begegnen.

Wo befindet sich Beyoğlu in Istanbul?

Beyoğlu in Istanbul
Beyoğlu ist ein Viertel in Istanbul, das sich zwischen dem Taksim-Platz und dem Galata-Tunnel erstreckt.

Die nächstgelegene Metrostation „Taksim“ liegt direkt am Taksim-Platz.

Wie kommt man nach Beyoğlu?

Altstadt Hotels: Fahren Sie mit der Straßenbahn (Linie T1) bis Kabataş und steigen Sie dann in die Standseilbahn (Linie F1) nach Taksim um.
Hotels der asiatischen Seite Istanbuls: Nehmen Sie eine öffentliche Fähre bis Kabataş und steigen Sie dort in die Standseilbahn (Linie F1) nach Taksim um.


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